Wolfenmond

im Auftrag von Cryptic Trails

Eure Sängerin Sonja hat ein sehr beeindruckendes Organ und einen sehr flexiblen Gesangsstil. Kommst du aus der typischen „Musikerfamilie“ und bist durch sämtliche Kirchen- und Schulchorkader geschleift worden?

Sonja: Ich war mal in einer fiesen Schulband (lacht). Aus einer richtigen Musikerfamilie warst eher du, Christo.

Christos: Jaja, genau. Ich bin aus einer richtigen Musikerfamilie, in der jeder mindestens drei Instrumente spielt und habe auch noch viele klassische Sachen gemacht.

Bei Wolfenmond findet eine Unmenge an archaischen Instrumenten Verwendung; Pfeifen, Schalmeien, Davul, Drehleiern, Zither und sogar das Didgeridoo der australischen Aboriginies. Wie erlernt man so eine Menge an exotischen Instrumenten?

Christos: Das ist zum Teil nicht schwer, wenn man eine klassische Ausbildung hat. Zum Beispiel sind die Schalmeien/Rauschpfeifen ähnlich zu greifen wie Blockflöten und das Trillerspiel geht, wenn man das Klavier beherrscht, auch ganz gut. Schwierig ist das Atmen beim Dudelsackspiel zu lernen, das heißt dann einfach ganz viel üben, auch über viele grausame Stunden. (lacht)

Ich habe mal gehört, daß es unter Musikern ein wenig verpönt ist, so einen Dudelsack „von der Stange“ zu kaufen. Die meisten Künstler schwören ja darauf, entweder das Instrument selber herzustellen oder sich eine Spezialanfertigung vom Fachmann bauen zu lassen, weil das dem Instrument eine „Seele“ gibt. Wie haltet ihr das mit euren Instrumenten?

Christos: Ich habe einen Dudelsackbauer, der macht viele Dudelsäcke, aber halt nach dem Wunsch der Leute. Also trotzdem Unikate. Und mit diesem habe ich zusammen meinen Dudelsack gebaut. Zum Beispiel ist der Kopf von einem Freund entworfen worden, der den aus Ton gemacht hat, und das ist dann umgesetzt worden. Man kann nicht immer alles können, auch wenn ich handwerklich nicht unbegabt bin. (lacht) Bei meiner Drehleier habe ich auch eine ganz andere Stimmung als auf einer anderen Drehleier und diese habe glaub’ auch nur ich bis jetzt.

Der „Crossover“ Gedanke lässt sich ja ziemlich gut vermarkten, wenn man sich mal anschaut, wie die großen Bands der Mittelalterszene durch die Decke gegangen sind. Habt ihr schonmal daran gedacht, wie Subway to Sally oder In Extremo eine Metal bzw. Hardrock Kante in eure Musik zu packen?

Christos: Im Sinne von Remixen oder was meinst du?

Im Sinne von Remixen, Zusammenarbeit, wie auch immer.

Christos: Wir haben vor ein paar Jahren schon mal mit den Gitarristen von Subway to Sally zusammengearbeitet, der hat für uns einen Remix gemacht. Außerdem noch der Keyboarder von ASP. Wir haben auch schon mit denen gespielt, daß ist jedoch eine ganz andere Schiene. Wir kommen ja aus der rein akustischen Mittelaltermusik und haben über die Jahre hinweg angefangen, unsere eigenen Sachen zu schreiben, und da wurde dann immer mehr Elektronik reingemischt. Es ist einfach schön, eigenständig zu sein, wir wollen ja niemanden kopieren. Wir sind ja auch schon länger mit dem Sänger von Subway to Sally befreundet und da kann man es nicht vermeiden, daß man da beeinflusst wird, aber wir machen einfach das, worauf wir Lust haben.

Viele Bands setzen ja mittlerweile entweder auf puren digitalen Vertrieb oder geben ihre Alben gleich umsonst raus, weil sich ja leider eine Mentalität entwickelt hat, daß Musik nichts kosten darf. Euer 2007 erschienenes Album „Sagas“ habt ihr in einem wunderschönen Din A5 Digipack mit geprägtem Pappschuber, Bonus DVD und Textheft veröffentlicht. Wie wichtig ist es, im Jahre 2014, dem Käufer einen entsprechenden Gegenwert zu liefern?

Tambor: Oft hat man ja Konzeptalben, bei denen man etwas vermitteln möchte und da schaut man schon, daß wirklich alles zusammenpasst.

Sonja: Die meisten Coverbilder hat eine befreundete Künstlerin gemalt und die Originalbilder haben wir auch alle daheim hängen. Es gibt auch Fans, die sich die Bilder von ihr nachmalen haben lassen, weil sie einfach so schön sind.

Christos: Man muß sich da schon viel Mühe geben, wir arbeiten ja auch lange an einer CD und dann muß einem das schon selbst gefallen. Außerdem, im Zeitalter der MP3s, wer kauft denn da noch CDs, wenn sie nicht optisch ansprechend sind, so daß man sie ins Regal stellen kann. Zum Beispiel, unsere Platte „Sagas“, in dem Hochformat und den Goldprägungen, steht bei uns zu Hause im Schrank. Auch wenn das jetzt etwas narzisstisch ist. (Gelächter)

Auf „Sagas“ beschäftigt ihr euch mit der Edda. Welchen Bezug habt ihr zur heidnischen Kosmologie? Seid ihr Anhänger der alten Götter im Sinne von „Asatru“ oder dient die Edda nur als bloßes Konzept für das Album? Würdet ihr euch im großen und ganzen als spirituelle Menschen bezeichnen und wieviel ist davon in eurer Musik zu finden?

Sonja: Wir sind ja viel in Island, jetzt in drei Wochen auch wieder, und die Edda ist dort einfach verwoben mit dem Land. Man spürt die Mystik und die Isländer glauben ja auch an Elfen und dort findet man solche Geschichten.

Christos: Dort sind die Menschen auch viel erdiger als in Europa und auch schrulliger. Es kennt auch jeder eine Geschichte über seinen Großvater, der noch einen Troll gesehen hat. Und bei solchen Geschichten fallen einem dann auch Liedtexte ein. Viele Texte von der „Sagas“ haben wir dort geschrieben, nicht, weil wir extra hingefahren sind, sondern weil wir halt gerade da waren. Hier, in dieser lauten Welt, geht vieles unter und wenn man in Island am Meer steht, ist das einfach was ganz anderes.

Ihr findet also dort viel Inspiration, oder?

Christos: Ja, man findet auch viel in der Natur wieder, was in der Edda beschrieben wird. Also Phänomene, die die Isländer in ihrem Land gefunden haben. Und daß kann man auch in ganz vielen Filmen sehen. Zum Beispiel die Drachenschlucht aus „Herr der Ringe“. Da geht man rein und man denkt, da kommt wirklich gleich ein Schatten an einem vorbei.

Sonja: Wir waren auch nur 200 Meter drin, weil es uns dann einfach zu gruselig war. (lacht)

Christos: Man ist einfach viel näher dran.

Ihr habt mit „Neumond“ zuletzt ein komplettes Remixalbum herausgebracht.

Ingo Hampf von Subway to Sally hat in diesem Rahmen einen exzellenten Remix zu „Wolfszeit“ abgeliefert. Wie kam die Zusammenarbeit mit Ingo und den anderen Künstlern zustande? Lief das über euer Label oder sind das persönliche Kontakte?

Sonja: Ja, was heißt private Kontakte, man tut sich einfach auch gegenseitig einen Gefallen. Als wir an dem Album „Neumond“ gearbeitet haben, hat sich Chris ja so verletzt.

Christos: Ja, da hatte ich mir den Daumen abgesäbelt und wir konnten fast eineinhalb Jahre nicht spielen, da haben wir die Zeit dann genutzt und viele Dinge, die wir schon im Kopf hatten, einfach ausprobiert. Wir sind halt auch Gruftis. Gruftis, die Mittelaltermusik gemacht haben und sich dann dachten „warum machen wir denn nicht Mittelalter- mit Gruftimusik“. (Gelächter) Und wir wollten dann einfach sehen, ob das funktioniert. Das haben zwar schon ein paar Bands vor uns gemacht, wie z.B. Corvus Corax, aber wir wollten es einfach wissen und haben auch recht gute Resonanz dazu bekommen. Und da wird auch vieles auf die neue Platte kommen. Diesmal keine Remixe, sondern nur eigenes Zeug. Ingo von Subway to Sally haben wir einfach gefragt.

Tambor: Und bei ASP haben wir auch mal einen Remix für ein Album gemacht und hatten dann sozusagen noch eine Rechnung bei denen offen.

„Neumond“ ist von euren Fans sehr zwiespältig aufgenommen worden. Die einen finden die Remixe total spannend und abwechslungsreich, die anderen waren total enttäuscht, weil sie ein reguläres Wolfenmond Album erwartet haben. Wie geht man mit so einer Kritik um? Nimmt man sich das zu Herzen oder lässt man sich lieber ein dickes Fell wachsen?

Tambor: Wir machen grundsätzlich das, was wir für richtig halten. Gerade da wo wir vom Mittelalter mehr hin zur Elektronik gegangen sind, gab es natürlich viel Kritik aber auch viel Lob. Wo wir aber halt auch viele Fans enttäuschen mußten, weil wir gesagt haben „wir wollen nicht nur noch die akustische Mittelaltermusik“. Und da gab es auch viel Kritik, die wir einfach abblitzen lassen mußten, weil das nichts damit zu tun hatte, sondern viele einfach enttäuscht waren. Ansonsten machen wir uns natürlich Gedanken, wenn es berechtigte Kritik ist und überlegen uns, wie wir das ändern wollen.

Sonja: Die größten Kritiker sind, glaub’ ich, wir selbst. (Gelächter)

Im Wikipedia-Eintrag über euch steht: „Der Bandname entstand während eines der ersten Auftritte in einer eiskalten, sternenklaren Nacht mit einem „Wolfenmond“ am Himmel.“ Was ist ein „Wolfenmond“?

Sonja: Das war ein Vollmond, aber wir haben den dann Wolfenmond genannt. Es gibt zwar tatsächlich einen Tag im Jahr, der Wolfenmond heißt, aber ob das genau dieser Tag im Jahr war, möchte ich nicht beschwören. Das war einfach so ein Tag, wir waren auf einer Burg, da war ein Lagerfeuer, es gab Würstchen und dann halt der Vollmond und so ist es einfach zu dem Namen gekommen. Das war einfach ein Gefühl.

Christos: Ich glaube nicht, daß man sich darüber Gedanken macht, wie das entsteht. Wir haben uns nicht hingesetzt und haben nach einem Namen gesucht, er war dann einfach da und jeder hat ihn dann mal gesagt. Seitdem heißen wir so. (lacht) Aber die Geschichte in Wikipedia stimmt, es war tatsächlich so.

Seid dem „Wintersturm“ Album von 2003 seid ihr beim Label „Trisol Music Group“ untergekommen. Trisol ist ja eher für Neofolk Gruppen, wie Sieben, Rome, Spiritual Front und Kirlian Camera, bekannt. Auch Darkwave- und Elektrolegenden, wie Project Pitchfork, Samsas Traum und London after Midnight haben dort ein Zuhause gefunden. Ein ziemlich breit gefächertes Angebot. Wie passt ihr mit Wolfenmond da hinein? Oder macht ihr euch über eure Labelkollegen keine Gedanken, solange der Umgang mit eurer Band stimmt?

Sonja: Wir hatten ja vorher ein anderes Label und wollten wechseln; Trisol hat uns ein Angebot gemacht. Die haben eine Mittelalterband gesucht. Und wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und unser neues Album wird wahrscheinlich auch dort produziert werden, aber das ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern.

Christos: Wir hatten das Glück, daß wir einfach angesprochen worden sind, wir mußten uns nicht bewerben, haben keine Demos verschickt, sondern sie haben uns angesprochen. Wir wollten es probieren und haben auch die ersten beiden Platten ganz schnell verkauft, so daß sogar was nachgepresst worden ist, die Verkaufszahlen sind recht gut gewesen für eine Mittelalterband und beide Seiten waren zufrieden. Man muß sagen, daß Trisol eine sehr strenge Plattenfirma ist und das ist auch sehr gut so, denn sonst kommt ja auch nichts Gescheites dabei rum. Das funktioniert einfach.

Tambor: Eine Besonderheit ist, daß die Plattenfirma nicht in die Arbeit der Künstler eingreift. Sie geben uns zwar Tips, aber wir machen unsere Platte. Mit allem anderen kämen wir auch nicht klar, wenn uns jemand sagen würde, was wir zu machen haben.

Das heidnische Dorf auf dem WGT hat sich mittlerweile zu einem richtigen Schmelztiegel entwickelt. Heidnisch-Germanische Einflüsse treffen auf mittelalterliche Darbietungen und Musik. Sogar die LARP-Szene hat sich ihr kleines Fleckchen erobert. Von einer historisch korrekten Darstellung ist man weit entfernt. Wie steht ihr dazu? Legt ihr Wert auf Authentizität in Bezug auf eure Musik und der Umgebung in der ihr auftretet oder steht für euch die „Party“ an erster Stelle?

Sonja: Wir sind ja auch Gruftis. Ich ziehe mich auch gerne hübsch an, auch wenn das bei den Temperaturen momentan etwas schwierig ist; aber doch, das ist schon wichtig. Ich schau’ auch gerne die anderen Outfits an und klar nutz’ ich auch die Möglichkeit, mich mal schön zu machen.

Christos: Wir spielen ja immer so alle ein bis zwei Jahre auf dem WGT und wenn wir nicht spielen, sind wir auch privat hier, natürlich mehr gestylt. Wenn man Musik macht, geht das einfach nicht so, weil man halt auch schwitzt. Ich find’ es schade, wenn Menschen sich gar keine Gedanken oder die Mühe machen, daß gehört einfach dazu.

Wo fühlt ihr euch eigentlich wohler? In einem großen Club, wo man zwar frenetisch gefeiert wird, aber der Kontakt zum Publikum doch eher Anonym ist oder bevorzugt ihr die kleinen Märkte und andere, eher „intime“ Örtlichkeiten?

Sonja, Christos, Tambor: Das ist eine schwere Frage.

Tambos: Der kleine Club mit 20 Leuten kann genauso geil sein wie ein großes Festival, es kommt halt einfach immer auf die Stimmung an und natürlich muß es Spaß machen. Aber eigentlich ist es egal.

Sonja: Ich fand es heute wirklich bewundernswert, wie die Leute bei der Affenhitze da vorne getanzt haben und auch total viel zwischen Publikum und uns da war. Im kleinen Club hat man vielleicht einfach mehr Zeit für den einzelnen Fan. Ist aber beides in Ordnung.

Welchen Eindruck habt ihr vom WGT im 23. Jahr?

Sonja: Warm!

Christos: Wir hatten noch gar keine Zeit, richtig zu schauen, wir sind gestern nur mal kurz über die Arga geschlendert. Wir sind jetzt schon seit 15 Jahren dabei und es ist einfach kommerzieller geworden. Es ist sehr vielschichtiger geworden und das ist gerade für eine Band wie uns gut, die ganze Gruppe der Menschen wird gemischter, es sind nicht nur Gothics da, sondern auch Mama, Papa, Kind. Gestern war auf der Arga leider sehr wenig los. Das kann aber auch an der Hitze liegen.

Wie werdet ihr die Zeit nach eurem Auftritt verbringen? Und was mich am meisten Interessiert: Welche Bands haben euch dieses Jahr am meisten beeindruckt und was wollt ihr euch noch ansehen?

Sonja: Wir werden jetzt erstmal schon Backstage etwas essen und heute Abend auf jeden fall noch zu Tarja gehen.

Christos: Wir müssen ja so ein bisschen schauen, daß wir fit bleiben, da wir ja morgen noch einmal spielen müssen. So richtig die Kante geben werden wir uns nicht, aus dem Alter sind wir raus. (Gelächter)

Sonja: Wobei, ich erinnere an gestern Abend! (noch mehr Gelächter)

Christos: Wir genießen das in dem Maßstab, in dem man das machen kann. Die Hauptaufgabe ist, daß wir hier unseren Job gut machen und da muß man das Privatvergnügen einfach auch mal zurückstellen.

Vielen Dank für das spannende Interview und für eure Unterstützung. Ohne Bands wie euch, die so unkompliziert mit uns zusammenarbeiten, könnten wir uns das Online Magazin nämlich direkt sparen und einen kollektiven Häkelkurs belegen. Ich erteile euch somit das letzte Wort an die Leser von Cryptic-Trails:

Sonja: Wir hoffen sehr, daß wir im Winter unser neues Album fertig bekommen und freuen uns dann auch auf die kommenden Konzerte.

Christos: Ja, vielen Dank fürs Lesen. Vielen Dank für das Interview und bis zum nächsten WGT.